Das Dokumentarfilmfestival „nonfiktionale“ Bad Aibling findet dieses Jahr von 22.-25. Juli 2021 statt und erfreut sich mittlerweile überregionaler Bekanntheit. 16 Filme stehen auf dem Programm - „Wort für Wort“ der rote Faden.
Gibt es bestimmte Trends, die sich abzeichnen?
„Inhaltlich als auch formal nehmen z.B. hybride Formen immer mehr zu, diese Grenze zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, vor 20-30 Jahren noch relativ klar gezogen, weicht immer mehr auf. Dokumentarfilme haben Spielfilmelemente und umgekehrt, es gibt also auch Spielfilme mit viel Improvisation und dokumentarischen Elementen. Da wir bei der nonfiktionale keine Jahresauslese des Vorjahres zeigen - das Produktionsjahr ist bei uns nicht entscheidend - versuchen wir gar nicht, irgendwelche Trends abzubilden. Es geht tatsächlich darum, dass ein Film, egal wie lang oder kurz, alt oder neu, zum Motto passt und wir dann innerhalb dieses Mottos versuchen, einen Fächer mit verschiedenen Facetten auszuspannen.“
Das ermöglicht dann auch eine gewisse Freiheit bei der Auswahl?
„Unser kürzester Film dieses Jahr ist 4 Minuten lang und der längste 218 Minuten, es geht also sehr weit auseinander, und wir sind eines der ganz wenigen „Mischfestivals“, woanders werden entweder Kurz- oder Langfilme gezeigt, das ist wirklich eine Besonderheit am Bad Aiblinger Dokumentarfilmfestival.“
Wandelt sich die Art, wie wir Filme wahrnehmen, im Laufe der Zeit?
„Was ich sagen kann, ist, dass wir hier ein treues Publikum haben, das mit uns mitgewachsen ist, die Qualität der Diskussionen hat sich in den 13 Jahren, die es die nonfiktionale gibt, geändert, am Anfang dominierten inhaltliche Fragen und dank der Moderationen und der Gespräche mit Filmemachern nach den Vorstellungen geht es jetzt z.B. mehr um bestimmte Erzählweisen.
Also: Warum hat man sich für eine bestimmte Haltung oder Form der Montage entschieden, was sind die ästhetischen Gesichtspunkte, mittels welcher Techniken wird der Inhalt transportiert?
Es ist jetzt nicht so, dass wir da mit einem pädagogischen Ansatz rangegangen sind, nach dem Motto, wir wollen unser Publikum erziehen, sondern es hat sich im Endeffekt so entwickelt und macht durchaus auch stolz.
Wir nehmen das Publikum mit auf eine filmische Entdeckungsreise und es wird, wie immer, vielfältig: teils heiter, leicht, spannend, es sind Lebensgeschichten - wir wünschen uns, dass das Publikum sich einlässt, „Popkorn-Konsumware“ wollen wir nicht bieten.“
Was macht für Sie persönlich einen gelungenen Film aus?
„Einer, der einfach ein Fenster aufstößt, durch das ich vorher noch nicht geblickt habe. Das kann auf unterschiedliche Art passieren: über die Bildsprache, die Atmosphäre, eine neue Perspektive, die sich eröffnet; das ist das, was ich am Dokumentarfilm schätzen gelernt habe: einerseits entwickle ich eine gewisse Demut, andererseits wird die Welt weiter.“
Ist ein Dokumentarfilmer nicht so etwas wie ein hoffnungsloser Idealist, der im Vergleich zum „Mainstream“ Kino kaum Anerkennung bekommt?
„Der Dokumentarfilm hat sich in den letzten 20 Jahren wahnsinnig entwickelt und auch viel mehr Marktanteil gewonnen, rein ökonomisch betrachtet. Ich glaube, dass viele Leute Dokumentarfilm nach wie vor nicht genug kennen oder dabei zuviel an Naturfilme etc. denken. Mich freut es jeweils, wenn ich bei Workshops wie im Gymnasium in Bad Aibling die Schüler sehe, die dann oft ganz erstaunt und zum Teil begeistert sind, wie wahnsinnig vielschichtig und toll Dokumentarfilm ist. Aber es braucht schon eine gehörige Portion Idealismus, die Budgets sind natürlich viel bescheidener aufgestellt als beim Spielfilm.
Grundsätzlich geht es einfach darum, Dinge, die einem am Herzen liegen, auch zu transportieren."
Fotos (c) nonfiktionale
Veröffentlicht in der Juli Ausgabe Wendelstein Anzeiger, 2021
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