Fertig zum Abheben?

Conni Lechner

Schnuppertag beim Flugsportverein Rosenheim

Beim FSV Rosenheim pflegt man eine offene Vereinskultur, wer möchte, kann sich zu einem sog. „Schnuppertag“ anmelden. 
Was man dabei so erlebt?

Den Flugbetrieb „live“, wie Segelfliegen als Teamsport betrieben wird und einen Gastflug über das malerische Inntal.

 

Werner ist bekennender Flug-„Junkie“, seit 1961 aktiver Motor- und Segelflieger und Fluglehrer, wer also könnte mich besser auf einen Gastflug vorbereiten als dieser „alte Hase“?

Zunächst erfahre ich, was es mit der „Gleitzahl“ auf sich hat. Diese beschreibt die Strecke, die ein Flugzeug theoretisch zurücklegen kann, wenn es ohne Antrieb im Gleitflug ist. Die ASK 13 vom FSV Rosenheim bringt es auf eine Gleitzahl von 27. Das heißt, sie kann aus 1000 Meter über dem Boden 27 Kilometer weit fliegen, bevor es zur Bodenberührung kommt. Dabei spielen die Flügelspannweite, die Konstruktion des Flugzeugs sowie das verwendete Material eine Rolle. 
Weiter geht´s zu den Instrumenten im Cockpit, einige davon sind Vorschrift, andere kann der passionierte Bastler selbst hinzufügen. Der Raum ist jedoch begrenzt. 
Auf alle Fälle muß der Pilot die Geschwindigkeit (Fahrtmesser), die Flughöhe (Höhenmesser), die Aufstiegs- und Sinkgeschwindigkeit (Variometer) im Auge behalten sowie Funkverbindung mit dem Boden und anderen Luftfahrzeugen aufnehmen können (Funkgerät). Zusätzlich gibt es das Kollisionswarnsystem FLARM, es fängt an zu piepsen, wenn sich, ich ahne es schon, ein anderes Flugobjekt in der Nähe befindet.

Die Steuerung erfolgt über die Querruder (Steuerknüppel rechts/links) und Höhenruder (Steuerknüppel vor/zurück), sowie die Seitenruder (Pedale). 
Normalerweise klinkt das Seil im Windenstart automatisch aus, sobald das Flugzeug den richtigen Winkel erreicht hat. Falls dies nicht funktioniert, gibt es den gelben Ausklinkknopf. Der Pilot betätigt ihn nach dem Start in jedem Fall zur Sicherheit drei Mal. Die Bremsklappen werden ausgefahren um schneller zu sinken, ein blauer Hebel links im Cockpit.

Ich darf jetzt auch kurz „probesitzen“ und die Sicherheitsgurte anlegen, die Pedale und den Steuerknüppel ausprobieren. Ich merke, wie eine leichte Nervosität in mir aufsteigt, obwohl ich noch Boden unter den Füßen habe.

Severin Tengler wird mich heute zu einem Flug mitnehmen, er ist im Verein einer der jüngsten Piloten, hat aber mit ca. 700 Starts schon hinreichend Erfahrung gesammelt.

Als er mir den Fallschirm anlegt und einen Notausstieg beschreibt, wird mir langsam etwas mulmig, aber ich bin auch heilfroh über das zusätzliche Gepäck auf meinem Rücken.  Das ist mein allererster Segelflug und ich möchte nicht, dass es mein letzter wird. Der Start erfolgt blitzschnell, innerhalb von 2 Sekunden heben wir vom Boden ab.

Die G-Kräfte drücken mich ordentlich in den Sitz. Es geht fast senkrecht nach oben, wir steigen und steigen, jetzt klinkt das Seil aus.  Wir liegen nun in angenehmer Position auf ca. 400 Meter Höhe. Severin gibt dem Windenfahrer am Boden durch, dass der Start gut war. Jetzt heißt es, die Thermik zu finden. In Sichtweite kreist ein Paraglider, ein Anzeichen für Aufwind. „Probieren wir es also mit engen Kreisen“, sagt Severin, „mal sehen, wie viel Höhe wir gewinnen können, bei Dir soweit alles klar?“ „Ja, alles bestens,“ flunkere ich. Einerseits kann ich mich gar nicht satt sehen an der Landschaft aus der Vogelperspektive, andererseits bemerke ich ein komisches Schwindelgefühl. Wir fliegen weiter im Steigflug Richtung Petersberg und ich mache ein paar Schnappschüsse mit dem Handy. Mein Magen ist immer noch flau, und ich frage Severin, ob das normal ist. „Danke, dass Du mir Bescheid gibst, wir werden dann zum Flugplatz zurückkehren.“ Also wenden wir uns vom Berg ab, fliegen erstmal eine großzügige Kurve über Brannenburg und Severin kündigt über Funk die geplante Landung an. Er erklärt mir, dass wir zunächst parallel zur Landebahn fliegen und dann zwei weitere enge Kurven, um dann geradeaus Kurs auf den Flugplatz zu nehmen.

Die Landung erfolgt genauso perfekt und präzise wie der Start, ich hatte sie mir viel holpriger vorgestellt, stattdessen gleiten wir auf der Wiese dahin, fahren eine kleine Rechtskurve und kommen zum Halt.

Mit schlotternden Knien steige ich aus und danke meinem aufmerksamen Piloten für diese atemberaubend schöne und sensationelle Erfahrung.

Fotos (c) Conni Lechner

Veröffentlicht in der Juli Ausgabe Wendelstein Anzeiger, 2021

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